Von uns erstritten: Der Rechtsanwalt für den Einziehungsbeteiligten
Problemstellung
Selbst dann, wenn man nicht Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist, kann man zum Beteiligten eines Strafprozesses werden, als der man dringend einen anwaltlichen Beistand benötigt. Allgemein anerkannt ist dies beispielsweise für Zeugen, denen ein Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, ferner für Geschädigte von Straftaten in ihrer Funktion als Nebenkläger.
Seit der Reform des Rechts der Vermögensabschöpfung zum 01.07.2017 gibt es eine weitere schutzwürdige Person, die gegen ihren Willen Partei eines Strafverfahrens werden kann: Den so genannten Einziehungsbeteiligten. Das ist jemand, der, ohne selbst Täter oder Teilnehmer einer Straftat zu sein, aus einer solchen etwas erlangt hat. Unter bestimmten Umständen kann ihm das Erlangte im Strafprozess im Wege der Vermögensabschöpfung wieder genommen werden, und zwar selbst dann, wenn er von der inkriminierten Herkunft des Erlangten nichts wusste und insoweit vollkommen gutgläubig war.
Es liegt auf der Hand, dass so jemand in eigenen Rechten betroffen ist. Er ist daher als Einziehungsbeteiligter auch prozessual am Strafverfahren zu beteiligen. Wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig ist, oder wenn ersichtlich ist, dass der Einziehungsbeteiligte seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann, hat er gemäß § 428 Abs. 2 S. 1 StPO sogar einen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Konkreter Fall
In einem Strafverfahren bei einer Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Augsburg, in der ich als Verteidiger tätig war, gab es sogar zwei Einziehungsbeteiligte, nämlich die beiden Kinder der Angeklagten, die zu Beginn des Verfahrens 15 bzw. 11 Jahre alt waren. Die Angeklagten hatten für beide jeweils ein Konto angelegt, auf dem sich zum Zeitpunkt der Anklageerhebung jeweils fünfstellige Beträge befanden. Die Staatsanwaltschaft war der Ansicht, dass diese aus Straftaten stammen und daher gemäß § 73b StGB unabhängig von der Gutgläubigkeit der Kinder einzuziehen sind.
Das Landgericht Augsburg hat weder von Amts wegen noch auf Antrag einen Anlass gesehen, den Kindern einen Rechtsanwalt beizuordnen. Dies wurde auf Beschwerde der Angeklagten erst durch das Oberlandesgericht München korrigiert mit der Begründung, dass eine Vertretung der Kinder durch ihre sorgeberechtigten Eltern vorliegend nicht ausreichend sei, da deren Interessen nicht zwangsläufig deckungsgleich seien mit denjenigen der Kinder. Zudem sei davon auszugehen, dass das Augenmerk der Angeklagten angesichts eines im Raum stehenden Einziehungsbetrages von insgesamt 5,8 Millionen € nicht primär auf den Vermögensinteressen der einziehungsbeteiligten Kinder liegt.
Fazit
Auch wenn der entschiedene Fall durch die Minderjährigkeit der von den Angeklagten vertretenen Einziehungsbeteiligten eine Besonderheit aufweist ist es generell dringend zu empfehlen, dass sich Einziehungsbeteiligte eines eigenen anwaltlichen Beistands mit dem Ziel bedienen, eine Einziehung gänzlich zu verhindern oder sie zumindest dem Betrag nach zu minimieren. Im Zweifel werden weder Gericht noch Staatsanwaltschaft und Angeklagte ein besonderes Augenmerk auf die schützenswerten Interessen der Einziehungsbeteiligten haben, die im Verfahren naturgemäß nur eine Nebenrolle spielen. Um dem ein Gegengewicht auf Augenhöhe entgegenzusetzen, erscheint die Vertretung durch einen in diesen Dingen erfahrenen Rechtsanwalt in jedem Falle geboten.