Strafrecht in Zeiten von Corona
Die Corona-Pandemie wirft auch unter strafrechtlichen und strafprozessualen Aspekten einige interessante Fragen auf, die an dieser Stelle – ohne Anspruch auf eine abschließende Beantwortung – zumindest aufgezeigt werden sollen wie folgt:
Körperverletzung
Das Thema Viruserkrankung ist bereits vor Jahren unter strafrechtlichen Aspekten debattiert worden anlässlich der Verbreitung von HIV. Damals hat es der Bundesgerichtshof für möglich gehalten, dass sich derjenige wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar machen kann, die als Träger des Virus billigend in Kauf nimmt, durch ungeschützten Geschlechtsverkehr andere Personen anzustecken. Diese Rechtsprechung dürfte auf die Corona-Pandemie zwar grundsätzlich übertragbar sein. Allerdings dürfte es angesichts der flächendeckenden Verbreitung des Virus im Einzelfall kaum möglich sein, den Nachweis zu führen, dass die Ansteckung gerade durch eine bestimmte Person erfolgt ist. Faktisch ist daher aus meiner Sicht eher nicht damit zu rechnen, dass es insoweit zu Strafverfahren wegen Körperverletzung kommt.
Infektionsschutzgesetz
Anders sieht es indes bei Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz aus, das zahlreiche Ver- und Gebote enthält, bei denen fahrlässige Verstöße mit einem Bußgeld bedroht und vorsätzliche solche sogar strafbewehrt sind. Diesbezüglich könnte es in Zukunft durchaus zu einigen Gerichtsverfahren kommen.
Strafprozess
Unter strafprozessualen Gesichtspunkten stellt sich eine ganz andere Frage: Gemäß § 169 Abs. 1 S. 1 GVG sind Hauptverhandlungen grundsätzlich öffentlich durchzuführen. Ein Verstoß hiergegen ist gemäß § 338 Ziff. 6 StPO ein absoluter Revisionsgrund. In den meisten Bundesländern gibt es Ausgangsbeschränkungen dahingehend, dass zum Teil das Haus nur noch aus triftigen Gründen verlassen werden darf. Ob das Besuchen einer Gerichtsverhandlung als Zuhörer zu diesen triftigen Gründen gehört, ist offen, vermutlich aber zu verneinen. Zudem gibt es bei den Gerichten aktuell zusätzliche Zugangsbeschränkungen. Unter diesen Umständen ist das Aufsuchen einer gerichtlichen Hauptverhandlung als Zuhörer mit derart vielen Einschränkungen und sogar der Gefahr einer Bebußung verbunden sein, dass faktisch die Öffentlichkeit nicht mehr gewährleistet ist. Es wird sich daher empfehlen, aktuell zu Beginn jeder Hauptverhandlung die fehlende Öffentlichkeit zu rügen und dies protokollieren zu lassen.