Gebühren wegen Ruhestörung
Gebühren dürfen nur erhoben werden, wenn der die Polizeieinsätze auslösende Lärm unzulässig war.
Immer wieder erstatten Bürgerinnen und Bürger bei der Polizei Anzeige und teilen mit, dass sie durch laute Musik der Nachbarn (insbesondere der Gastronomie) in ihrer Nachtruhe gestört fühlen. Die Polizei bzw. das Land Baden-Württemberg kann für den Einsatz von Polizeikräften bei Ruhestörungen oder Streitigkeiten, soweit wiederholtes Einschreiten in der gleichen Angelegenheit erforderlich ist, eine Gebühr mittels Gebührenbescheid festsetzen.
Mit Urteil vom 01.12.2017 entschied das Verwaltungsgericht Karlsruhe, dass die Gebühr nur dann gerechtfertigt sei, wenn der Lärm unzulässig war. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn die Lärmerregung gegen § 117 Abs. 1 OWiG verstoßen hat.
§ 117 Unzulässiger Lärm
(1) Ordnungswidrig handelt, wer ohne berechtigten Anlaß oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.
Wann sind die Grenzen zum unzulässigen Lärm überschritten?
Die Grenzen des zulässigen Lärms könnten gesetzlich oder behördlich festgelegt sein oder sich aus Regeln ergeben, die sich im menschlichen Zusammenleben entwickelt haben und allgemein beachtet werden (sog. Verkehrssitte bzw. Sozialadäquanz). Die Grenzen des Zulässigen seien situationsabhängig festzulegen. Es kommt auf den Ort, die Tageszeit oder Nachtzeit, die Dauer bzw. Stärke des Lärms, die Häufigkeit des Schallereignisses bzw. die Lärmart wie auch auf das Bestehen sonstigen Lärms an. Während der üblichen Entspannungs- und Ruhezeiten und in Erholungsgebieten sind geringere Anforderungen an die Erheblichkeit als zu den anderen Zeiten zu stellen. Ob eine erhebliche Belästigung durch Lärmeinwirkungen vorliege, sei nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, wobei es auf eine besondere Sensibilität oder Unempfindlichkeit der betroffenen Personen nicht ankomme.
Schallpegelmessung hierfür nicht schlechterdings notwendig
Eine objektiv unzumutbare Ruhestörung durch Musik könne auch ohne Schallpegelmessung festgestellt werden. Zwar sei den in Regelwerken wie der TA-Lärm enthaltenen Immissionsrichtwerten im Regelfall in Bezug auf die Erheblichkeit gesundheitsschädlicher Umwelteinwirkungen eine indizielle Bedeutung beizumessen. Der Tatbestand des § 117 Abs. 1 OWiG würde aber nicht nur dann verwirklicht, wenn der Lärm gesundheitsschädigend ist, sondern es reiche eine lärmbedingte erhebliche Belästigung aus. Die Erheblichkeit und Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefahr ließ sich daher nicht nach der Höhe eines messbaren Geräuschpegels bestimmen. Dass eine Ruhestörung auch ohne Schallpegelmessung festgestellt werden kann, gelte trotz ihres hohen kulturellen Wertes ganz besonders für Musik. Denn Musik wirke durch ihren hohen Informationsgehalt auf denjenigen, der sie nicht hören will, unabhängig vom technischen Pegelwert störend.
Schlussfolgerung
Unzulässiger Lärm im Sinne des § 117 OWiG liegt bereits dann vor, wenn er die Grenzen des sozialadäquaten überschritten hat. Dies beurteilt sich unter anderem danach, ob der Lärm in örtlicher Hinsicht sowie hinsichtlich der Tageszeit üblich und typisch ist. Ob die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm überschritten werden, kann grundsätzlich dahingestellt bleiben. Es ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Ob Nachbarn besonders sensibel sind, kann daher ebenfalls dahinstehen.
VG Karlsruhe, Beschluss vom 01.12.2017