COVID-19-Pandemie: Lieferengpass – und jetzt?
Derzeit sind keine Materialengpässe oder Lieferschwierigkeiten bzw. –Unterbrechungen bekannt. Ob sich das mit einer Fortsetzung der verhängten Kontaktsperre und Ausgangsbeschränkungen ändert, bleibt noch abzuwarten. Längerfristige Behinderung oder Unterbrechung der Bauabläufe hätte jedoch rechtliche Konsequenzen, denen mit einer Vertragsanpassung oder einer Kündigung des Vertrages Rechnung getragen werden könnte.
Soweit die VOB/B wirksam vereinbart wurde, besteht gemäß § 6 Abs. 5 für den Fall, dass die Ausführung für voraussichtlich längere Dauer unterbrochen wurde, ohne dass die Leistung dauernd unmöglich wird, die Möglichkeit für den Nachunternehmer, Vergütung für die ausgeführten Leistungen sowie die ihm bereits entstandenen Kosten zu erhalten, die in den Vertragspreisen des nicht ausgeführten Teils der Leistungen enthalten sind.
Hierbei ist es jedoch erforderlich, dass der Nachunternehmer keinerlei Tätigkeiten mehr auf der Baustelle entfaltet und nichts mehr geschieht, was unter Zugrundelegung der dem Auftragnehmer vertraglich auferlegten Leistungspflichten zur unmittelbaren Leistungserstellung und damit zum Leistungsfortschritt gehört (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 28.06.2018 – 12 U 68/17).
Gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B kann jede Vertragspartei für den Fall, dass die Unterbrechung länger als 3 Monate dauert, jeder Teil nach Ablauf dieser Zeit den Vertrag schriftlich kündigen. Im Falle der COVID-19-Pandemie hat der Nachunternehmer die Behinderung zudem nicht zu vertreten, weshalb auch die Kosten der Baustellenräumung ihm zu erstatten sind, soweit diese nicht bereits in den ausgeführten Leistungen enthalten waren, vgl. § 6 Abs. 7 Satz 2 VOB/B. Das gilt nach der Rechtsprechung auch dann, wenn der Nachunternehmer vor der Unterbrechung mit seiner Leistung auf der Baustelle noch nicht begonnen hat bzw. mit Sicherheit feststeht, dass die Unterbrechung länger als 3 Monate dauern wird (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2004 – VII ZR 363/02). Angesichts des Umstands, dass die COVID-19-Pandemie in Deutschland erst ab März 2020 vorhersehbar war, ist mit solchen Fällen frühestens ab Juli 2020 zu rechnen. Im Falle von längerfristigen Beschränkungen bestünde theoretisch auch noch die Möglichkeit, den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt der COVID-19-Pandemie dürfte jedoch in nur seltenen Fällen ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen und berechtigen. Gemäß § 648 a Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein solcher Grund nur dann vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann. Hier ist eine Einzelfallprüfung und –abwägung erforderlich. Angesichts der Möglichkeit, den außergewöhnlichen Umständen durch entsprechende Fristverlängerungen an gemessen zu begegnen, dürfte selten ein entsprechender Kündigungsgrund gegeben sein, wobei hier die weitere Entwicklung der COVID-19-Pandemi abzuwarten bleibt.
Gleiches gilt für die Frage einer Anpassung des Vertrages wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB für den Fall einer dauerhaften Leistungsstörung. Auch hier ist die prüfen, ob die Vertragsdurchführung den Parteien unter den geänderten Umständen noch zumutbar wäre.
Auftraggeber, gleich ob privat oder öffentlich (welche die VOB/B zwingend im Vergabeverfahen mit zu vereinbaren haben) sind gut beraten, den Mehraufwand durch im Falle einer Vertragskündigung, der durch die Neuvergabe von Leistungen entsteht, sowie potentielle Nachunternehmer zu finden, sorgfältig abzuwägen und mit dem Vertragspartner im Gespräch zu bleiben. Wie so oft können ergänzende Vereinbarungen ein geeigneteres Mittel sein, um das Ziel mit möglichst wenig Schaden zu erreichen und so gut durch die COVID-19-Pandemie zu kommen.